"In diesen Zeiten müssen wir überlegen, wie wir es schaffen, wieder Vertrauen zu den Menschen herzustellen."
Value-Media-Expertin Catharina Enderlein spricht im Interview über neue Kommunikationsformen, wie diese für journalistische Botschaften genutzt werden können und das redaktionelle Ströer-Nachbarschaftsprogramm, an dem sich auch #UseTheNews beteiligt.
Catharina Enderlein ist Gründerin der Unternehmen meet MOMENTUM und “Sinnflut - für die Zukunft der gesunden Stadt” sowie des European Lab - for sustainable companies & personalities und der EU-Medien-Partnerinitiative des New European Bauhauses der EU-Kommission. Die Kommunikations-, Stadt- und Nachhaltigkeitsexpertin ist als Beraterin für Value Media unter anderem für Ströer tätig und war dort bundesweit bis Ende vergangenen Jahres Head of Media Creation. Dort konzipierte sie das international erste redaktionelle #Out-of-Home-Nachbarschaftsprogramm und setzt dies seitdem auf mehreren Tausend Bildschirmen in U-Bahnen, an Straßen oder in Fußgängerzonen tagesaktuell in Hamburg um. Daran beteiligt sich auch #UseTheNews mit Inhalten zum Thema Journalismus.
#UseTheNews: Catharina, du hast das #Nachbarschaftsprogramm als Modell in Hamburg gestartet. Was ist das genau und was ist der Mehrwert für die Stadt?
Catharina Enderlein: Das ist international tatsächlich einzigartig, dass es so etwas auf Out-of-Home-Stadtscreenflächen gibt. Der Gedanke dahinter ist: Wie schafft man es, im öffentlichen Raum, mehr Kommunikation sowohl journalistisch als auch in Form von positiven Geschichten aus der Nachbarschaft zu erzählen und zugänglicher zu machen – mit den einzelnen Menschen, Institutionen, Themen, die es im Stadtraum gibt. Also, im Grunde die Stadt spricht in der Stadt. Dabei muss das Ganze maximal einfach sein, denn wir haben nur 10 Sekunden Zeit für die Botschaft.

Was war deine persönliche Motivation?
Als Unternehmerin und auch davor habe ich mich ziemlich früh mit Nachhaltigkeitsthemen und Kommunikation im öffentlichen Raum beschäftigt und wollte das Gelernte in Modellen vernetzt weiterentwickeln. Wie funktioniert das? Wie nehmen wir die Menschen empathisch mit im Wandel? Und natürlich ist das daran angeknüpft, Prototypen jeder Art zu konzipieren und zu testen, um zu zeigen: So kann man das machen und möglichst schnell viel Positives für die Zukunft in Bewegung bringen. Für mich ist auch immer wichtig, Menschen, die etwas bewegen, aber oftmals im Kleinen und versteckt, sichtbar zu machen. Es ist schön zu sehen und zu hören, wie das bei anderen Zuversicht bewirkt. Für mich das das wichtigste Momentum zur kollektiven Selbstwirksamkeit.
Wie sieht das konkret in der Praxis in Hamburg aus?
Vergangenes Jahr im Oktober sind wir gestartet mit vernetzten Formaten im Stadtraum: in der U-Bahn, in der Bahn, an der Straße. Das Programm ist so aufgebaut, dass wir zwölf verschiedene Rubriken haben, die alle in einem gleichen Look laufen – der natürlich passend zu Hamburg maritim nordisch ist, also einen Wiedererkennungswert hat. Oben steht immer ‚Infoscreen‘ und dann die jeweilige Rubrik, bei #UseTheNews zum Beispiel ‚Auf den Grund‘. Oder es gibt die ‚Frische Brise‘ mit positiven Nachrichten morgens oder die Universität, die zu ihrer Forschung sendet. Das wird tagesaktuell ausgespielt, in Kooperation mit verschiedenen Initiativen und auch vielen Hamburger Behörden.
Und wie können die Menschen diesen redaktionellen Content von Werbung unterscheiden?
Wir haben einen kleinen Charakter ins Leben gerufen: Die Alma Alster. Ein kleiner Schwan, der immer zwischendurch sowohl in eigenen Spots etwas zu Hamburg sendet als auch immer augenzwinkernd vor die Rubriken geschaltet ist. Um einfach zu sagen: Achtung, hier kommt jetzt etwas Redaktionelles. Der Schwan an sich hat hier in Hamburg ja eine große Bedeutung. Das beweist etwa die Schwanenbehörde, die es seit dem 16. Jahrhundert gibt. Eine Legende besagt, solange die Alsterschwäne schwimmen, solange ist Hamburg frei und wirtschaftlich erfolgreich.
"Die Stärke bei so vielen Screens im Stadtraum ist, dass ich zu wichtigen Themen und Anlässen auch interaktiv und vernetzt kommunizieren kann."
#UseTheNews ist seit 2024 dabei – zunächst mit Inhalten unseres Social-Media-Labors „Social News Daily“ und Botschaften vom Jahr der Nachricht, aktuell mit aufklärenden Inhalten über Journalismus. Wie passt das zum Programm?
In diesen Zeiten müssen wir überlegen, wie wir es schaffen, wieder Vertrauen zu den Menschen herzustellen. Dafür ist viel Verständnis notwendig und Journalist:innen haben ein großes Momentum, um Nähe herzustellen und mit Fakten aufzuklären. Dafür ist auch wichtig, was ihr macht: Zu zeigen, wie arbeiten Journalist:innen, warum machen sie das? Und was hat das eigentlich mit einem selbst zu tun? Dafür brauchen wir neue Formen der Kommunikation, die diese Nähe zwischen den einzelnen Akteur:innen und den Bürger:innen herstellen und erst einmal alle erreichen. Die Stärke bei so vielen Screens im Stadtraum ist, dass ich zu wichtigen Themen und Anlässen auch interaktiv und vernetzt kommunizieren kann. Zum Beispiel kann ich in der U-Bahn eine Frage stellen und ein paar Meter weiter die Antwort geben oder Stimmen einsammeln.
Gibt es da schon erprobte Beispiele?
Ja, das haben wir zum Beispiel gerade in Co-Creation mit der Umweltbehörde anlässlich der Hamburger Sustainability Week umgesetzt. Wir haben die Menschen gefragt: Welches der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN ist dir für unser Hamburg besonders wichtig? Dann ging es weiter zur Umfrage und das wurde während der Nachhaltigkeitswerkstatt von der zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank vorgestellt. So kann man Impulse setzen und neue Formen der Teilhabe ermöglichen, die aber mit anderen Channels wie Social Media im Sinne einer durchdachten 360-Grad-Reise verbunden sein müssen.
Als Expertin für nachhaltige Kommunikation und gesellschaftliche Teilhabe – welche Bedeutung hat der Journalismus generell für dich, wenn wir über Demokratie sprechen?
Mit Sicherheit hat er einen großen Einfluss – zum einen zur Aufklärung und um Fakten aufzuzeigen, damit Meinungsfreiheit überhaupt eine Chance hat. Und zum anderen, in Bezug auf die Frage: Wie schaffen wir es, aus den Nachbarschaften positive und gute Geschichten sichtbar zu machen und voneinander zu lernen? Das sehe ich als die zwei maßgeblichen Säulen, die wir letztlich kommunikativ benötigen, damit sich für die Zukunft Positives in Gang setzt.
Anmerkung: #UseTheNews klärt auf den Ströer-Infoscreens in Hamburg aktuell über Journalismus auf – etwa über den Pressekodex, was eine Nachrichtenagentur ist oder was Framing bedeutet. Das Thema wird passend dazu auf Instagram und TikTok ausführlicher beleuchtet.
Foto oben: Milena Jans / Ströer