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Studie: Junge Menschen auf TikTok - zwischen Wertschätzung und Widerstand

Der TikTok-Algorithmus prägt maßgeblich, welche Inhalte Nutzende auf ihrer For-You-Page angezeigt bekommen. In dieser Studie hat das Leibniz-Institut für Medienforschung untersucht, wie bewusst sich Jugendliche und junge Erwachsene dieser Mechanismen auf TikTok sind – und wie sie mit ihnen interagieren.

TikTok gewinnt für Nachrichten und Politik immer mehr an Relevanz. Für Medienanbieter und politische Akteure ist die Plattform ein wichtiger Ausspielweg, für Nutzer:innen zunehmend eine Informationsquelle. Junge Menschen ignorieren dabei aber meist, dass sie durch den TikTok-Algorithmus vielfältigen Manipulationen ausgesetzt sein können.

 

Mit der qualitativen Studie „Zwischen Wertschätzung und Widerstand: Algorithmische Kompetenz junger Menschen am Beispiel der Kurzvideoplattform TikTok“ hat das Leibniz-Institut für Medienforschung untersucht, wie Jugendliche und junge Erwachsene die Plattform nutzen, wie sie mit dem Algorithmus interagieren und wie sie Wertschätzung und Widerstand erleben.

 

„Abgesehen von Engagement-Metriken wie Likes oder Kommentaren wissen die Teilnehmenden wenig darüber, welche personenbezogenen Daten TikTok von ihnen sammelt, auswertet und in das algorithmische Empfehlungssystem einfließen lässt. Das heißt, sie können potenzielle Risiken nur schwer abschätzen und haben auch wenig Bedenken, was ihre Datensammlung betrifft“, sagt Studienautorin und Medienwissenschaftlerin Dr. Leonie Alatassi.  

 

„Hier können Fördermaßnahmen ansetzen, die aufklären und Bewusstsein schaffen und dann gezielt vermitteln, welche Handlungsmöglichkeiten es mit Blick auf individuelle Einstellungen und den persönlichen Datenschutz gibt.“

 
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©Eva Wünsch und Luisa Stömer
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©Eva Wünsch und Luisa Stömer
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©Eva Wünsch und Luisa Stömer
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Das sind die Kernergebnisse

 

  • Die Teilnehmenden wissen sehr wenig über die Sammlung und Verarbeitung von Informationen durch TikTok. Sie haben geringe Bedenken bei der Preisgabe personenbezogener Daten, aber mit steigendem Alter wächst das Verständnis für die Funktionsweise der Plattform.

„Ich habe mir allgemein über die App noch nie so Gedanken gemacht. Einfach runtergeladen, benutzt und mehr auch nicht. Und so über die Daten auch noch nicht."(männlich, 16 Jahre)

  • Die Funktionen auf der For-You-Page werden von ihnen vielfältig genutzt, meist aber unbewusst und ohne Absicht, um den TikTok-Algorithmus zu beeinflussen.
    „Jedes Video gefällt einem halt. Wenn das so individualisiert ist, ist das der perfekte Zeitvertreib.“ (weiblich, 16 Jahre)

 

  • Junge Menschen begreifen ihre Handlungsfähigkeit als situativ und begrenzt. Selbstwirksamkeit, wie etwa die Beeinflussung des Algorithmus durch Interaktion, wird nur punktuell erlebt. Bei unpassenden Inhalten reagieren viele mit Genervtheit, Unbehagen oder Kontrollverlust. Dann versuchen sie, den Algorithmus aktiv zu beeinflussen oder legen Nutzungspausen ein. Dieses Verhalten ist Ausdruck ihres Autonomiestrebens.
    „Wenn ein Video dabei ist, was mich nicht interessiert, dann swipe ich dann einfach weiter und durch den Algorithmus wird mir das dann weniger angezeigt.“ (weiblich, 16 Jahre)

 

  • Sie verbinden die For-You-Page emotional mit positiven Gefühlen wie Interesse, Wertschätzung oder Unterhaltung. Der Algorithmus wird als personalisierter Begleiter erlebt.

„Wenn ich es jetzt mal personifizieren müsste, wäre TikTok die Person, die eigentlich jeder mag. Und jeder ist heimlich gut mit dieser Person, aber wenn alle da sind, dann wird TikTok halt gemobbt.“ (weiblich, 20 Jahre)

  • Die meisten Befragten empfinden es als praktisch, über TikTok-Inhalte passiv „auf dem aktuellsten Stand“ zu sein. Aktiv nutzen wenige junge Menschen TikTok als Informationsquelle für politische Inhalte, da sie die Plattform als „nicht vertrauenswürdig“ oder nicht als seriöse Quelle einschätzen.
    „Für die Wahl habe ich das jetzt nicht genutzt, weil ich da zu viel bearbeiteten Kram und zu viele Memes dazwischen hatte, aber für aktuelle News ist TikTok hervorragend.“ (männlich, 22 Jahre)
 

„TikTok ist eine der wesentlichen Informationsquellen junger Menschen. Das gilt auch für Nachrichten und andere journalistische Angebote auf der Plattform. Wir haben die Studie unterstützt, weil die Medienbranche fundierte Erkenntnisse über Stellenwert und Wirkungsweise von TikTok braucht, wenn sie dort neue News-Formate ausprobiert“, sagt Vanessa Bitter, Chief Operating Officer von #UseTheNews.

Das Forschungsdesign

 

Konzipiert, durchgeführt und aufbereitet haben die #UseTheNews-Studie Dr. Leonie Alatassi, Dr. Sascha Hölig und Philipp Kessling vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg. Zur Beantwortung der Leitfragen wurde eine qualitative Erhebung konzipiert, die sechs Fokusgruppen (n=31) sowie follow-up Einzelinterviews mit zwölf der Teilnehmenden umfasst. Die Befragten waren zwischen 16 und 24 Jahre alt.

 

In den drei Städten Hamburg, Düsseldorf und Erfurt wurde jeweils eine Gruppe mit Jugendlichen und eine mit jungen Erwachsenen durchgeführt; mit Blick auf das Geschlecht und die formale Bildung (hoch vs. niedrig) waren die Gruppen gemischt zusammengesetzt. Die Teilnehmenden für leitfaden-gestützte Einzelinterviews wurden aus den Fokusgruppen rekrutiert. Vorab konnten die Teilnehmenden unter entsprechender Anleitung ihre TikTok-Daten anfordern, herunterladen und ausgewählte Daten zur Verfügung stellen. Diese wurden analysiert, visuell in Form von Diagrammen aufbereitet und in den Gesprächen thematisiert. Die Feldzeit lief von März bis Mai 2025.

 

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