Leonie Wunderlich
Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI)
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Forschungsüberblick Juni: Sinkendes Nachrichteninteresse, höhere Wichtigkeit für digitale Kompetenzen

Die Kernergebnisse des neuen Reuters Digital News Reports 2023 sowie zwei Studien zu digitalen Kompetenzen junger Menschen und dem Verständnis von Nachrichten hat Forscherin Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung dieses Mal zusammengefasst.

2023-06-27 — Leonie Wunderlich

Interesse an Nachrichten nimmt ab, Bedürfnis nach positiven Nachrichten ist hoch   

 

Das Interesse an Nachrichten ist in Deutschland dieses Jahr weiter gesunken. Zwar sagen mehr als die Hälfte (52%) der erwachsenen Internetnutzenden noch immer, dass sie äußerst oder sehr an Nachrichten interessiert sind (2022: 57%), die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung ist 2023 aber ebenso hoch wie im Vorjahr. Das sind Ergebnisse des gerade erschienenen Reuters Institute Digital News Report 2023, dessen deutsche Teilstudie vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg durchgeführt wurde. Insgesamt basiert die Studie auf 93.895 Befragten aus 46 Ländern auf sechs Kontinenten. Jeder und jede Zehnte Befragte in Deutschland versucht oftmals aktiv, Nachrichten zu vermeiden. Deutlich über die Hälfte (65%) versuchen dies zumindest gelegentlich. Derzeit werden vor allem Nachrichten zum Ukraine-Krieg gemieden. Gleichzeitig gab mehr als die Hälfte der Befragten an, äußerst oder sehr an positiven oder lösungsorientierten Nachrichten interessiert zu sein. Außerdem interessant: Das Vertrauen in Nachrichten geht weiter zurück. Weniger als die Hälfte (43%) der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland sind der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als 2022 (50%) und so wenig Befragte wie nie zuvor, seitdem die Frage 2015 erstmals in den Reuters Institute Digital News Survey aufgenommen wurde. Auch das Vertrauen, das ausgewählten bekannten Nachrichtenmarken entgegengebracht wird, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig.

 

Link zum Report

 

 

Junge Menschen schätzen ihre digitalen Kompetenzen als gut ein 

 

Die junge Generation zeigt eine reflektierte Selbsteinschätzung ihrer digitalen Kompetenzen – allerdings sind nicht alle überzeugt von ihren Fähigkeiten. Während der Großteil (70 Prozent) sehr sicher oder sicher davon ausgeht, Fake News erkennen zu können, wird das Vermögen, für ausreichenden Schutz der eigenen Daten im Internet sorgen zu können, infrage gestellt: 52 Prozent fühlen sich hier sehr sicher oder sicher, 48 Prozent sind bei Datenschutzfragen im Internet eher unsicher. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag der Vodafone Stiftung, bei der deutschsprachige Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 24 Jahren (n= 2.069) in Deutschland befragt wurden. Insgesamt sehen 79 Prozent aller jungen Menschen digitale Kompetenzen als besonders wichtig für die Zukunft.

 

Link zur Studie

 

 

Was sind Nachrichten aus Forschungs- und aus Publikumsperspektive? 

 

In sozialen Medien verschwimmen die Grenzen zwischen unterhaltenden und informativen Inhalten sowie zwischen unterschiedlichen (nicht-) professionellen Akteuren zunehmend. Das spiegelt sich auch im individuellen Nachrichtenverständnis von Nutzerinnen und Nutzern wider: Während ihre Assoziationen zu Nachrichteninhalten und -stil von traditionellen journalistischen Normen geprägt sind, haben die meisten ein heterogenes Verständnis von Nachrichtenquellen und -kanälen. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie, in der das Verständnis von Nachrichten aus der Perspektive des Publikums untersucht wurde. In der Interviewstudie (n= 27) haben die Teilnehmenden im Alter zwischen 17 und 85 Jahren verschiedene Sortieraufgaben mit Karten, die beispielsweise Überschriften und Social-Media-Posts zeigten, bearbeitet. Der Autor betont, dass der Journalismus seine Nutzerinnen und Nutzer nicht unterschätzen sollte – sie haben differenzierte Nachrichtenschemata entwickelt und wissen, wie sie diese anwenden, um „ihre“ Nachrichten zu identifizieren.

 

Link zur Studie