Sandra Jütte
HAW Hamburg
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Neue #UTN-Studie: “Ich werde halt durch TikTok manchmal aus Zufall informiert”

Viele junge Menschen zeigen wenig Interesse an Nachrichten und Journalismus. Warum das so ist und wo Neuigkeiten diese “gering Informationsorientierten” trotzdem erreichen, zeigt eine neue #UseTheNews-Studie. Die wichtigsten Ergebnisse und Tipps für Lehrkräfte fassen wir in diesem Beitrag zusammen.

2023-11-13 — Sandra Jütte

Die Gruppe der “gering Informationsorientierten” (kurz GIOs) macht etwa ein Drittel der 14- bis 24-Jährigen aus. In der Regel haben sie eine niedrige formale Bildung sowie oft einen Migrationshintergrund. Für die neue #UseTheNews-Studie (Download) hat das Leibniz-Institut für Medienforschung junge Menschen im Alter zwischen 14 und 22 Jahren in Fokusgruppen qualitativ befragt, um Einsichten in diese Teilgruppe zu gewinnen.


Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie

 

  • Gering informationsorientierte junge Menschen haben allgemein nicht das Bedürfnis, sich über das aktuelle Weltgeschehen zu informieren, weil in ihrem Umfeld Informiertheit über z.B. politische Themen nicht wichtig ist. Dennoch gibt es Themen, die für sie relevant sind – bspw. solche, die ihre eigene Identität, Herkunft oder das Familienumfeld betreffen.
  • Sie konsumieren vorrangig unterhaltsame Angebote auf Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram. Hohes Vertrauen genießen Content Creators wie etwa Herr Anwalt und Rezo, weil sie nach Meinung der jungen Menschen die richtigen Themen neutral, aber unterhaltsam behandeln. Mit Nachrichten kommen die GIOs nur zufällig und passiv in Kontakt oder finden Informationen zu einzelnen Anlässen gezielt über eine Google-Suche. “Ich werde halt durch TikTok manchmal aus Zufall informiert”, beschreibt eine 17-Jährige ihre Nachrichtenerfahrung. 
  • Trotz intensiven Konsums von Inhalten in sozialen Netzwerken wie TikTok und Co. sind viele GIOs angesichts von Falschinformationen und “toxischem” Content auf diesen Plattformen unsicher in der Nutzung. Das führt in der Konsequenz zu fehlendem Vertrauen in die Inhalte sozialer Medien allgemein. 
  • Wissen darüber, was Journalismus ist oder wie Journalist:innen arbeiten, ist bei ihnen kaum vorhanden. Stattdessen ruft der Begriff eher negative Emotionen und Assoziationen (Fake News, Paparazzi) hervor. Von (Nachrichten-)Medien wünschen sie sich auf Nachfrage mehr Bezug zum eigenen Leben, Perspektivenvielfalt und Verständlichkeit sowie eine neutralere Darstellung und Begegnung auf Augenhöhe. 

 

Was ergibt sich daraus für den Bildungsbereich?

 

Die Befragten gaben an, dass sie die Beschäftigung mit dem eigenen Nutzungsverhalten im Rahmen der Studie sehr interessant fanden und es schätzen, dass sie nach für sie wichtigen Themen und ihrer Meinung gefragt wurden. Das zeigt, dass ähnliche Gruppengespräche – etwa in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen – großes Potential haben, die Selbstreflexion von Schüler:innen über das eigene Nutzungsverhalten zu fördern sowie Denkprozesse anzustoßen. Zudem zeigt die Studie, wie wichtig es ist, Schüler:innen Wissen über die Arbeitsweisen, die Sorgfaltspflichten und die Bedeutung von Journalismus in der Gesellschaft zu vermitteln. Zusätzlich sollten insbesondere GIOs den Unterschied zwischen Content Creators und Journalist:innen lernen sowie Werkzeuge an die Hand bekommen, um Falschinformationen zu erkennen und Meinung von neutraler Berichterstattung unterscheiden zu können. 

 

Die Studie macht außerdem deutlich, dass eine geringe Nutzung von Nachrichtenmedien bzw. eine negative Einstellung gegenüber diesen oft mit einem Desinteresse an politischen Themen oder dem Gefühl fehlender Handlungsmöglichkeiten zusammenhängt. Hier könnten Lehrkräfte und Schulen ebenfalls ansetzen und einen Bezug von Nachrichtenthemen zur Lebensrealität dieser jungen Menschen herstellen. 

 

Linktipps zur Vertiefung und Unterrichtsgestaltung

 

Mehr Wissen über die Mediennutzung von Jugendlichen und zur Vermittlung von Social-Media-Kompetenz im Unterricht, bieten unsere kostenlosen Online-Fortbildungsangebote für Lehrkräfte bei der Hamburg Open Online University (HOOU):

 

  1. Wie nehmen Jugendliche Social Media Content Creators und Influencer wahr? Das Lernangebot stellt die Ergebnisse einer Spezialstudie von #UseTheNews vor. Für den Einsatz im Unterricht ist unter anderem eine Checkliste für Social Media Content Creators dabei.
  2. Wie nutzen Jugendliche Social Media und andere Medien? 
    Dieses Lernangebot macht Lehrkräfte mit den relevantesten deutschen Studien bekannt. Neben einem Online-Quiz stellt es ein Fragegerüst für die gemeinsame Erkundung von Social-Media-Plattformen mit Jugendlichen sowie eine Vorlage für ein Medientagebuch zur Verfügung. 

 

Mehr Lehrmaterialien rund um Journalismus, Medienpraxis und Nachrichtenkompetenz gibt es in unserer Datenbank. Dort lassen sich Inhalte nach Thema oder Altersstufe suchen, die unterschiedlichen Anbieter werden kurz beschrieben. 

 

Für mehr Medienkompetenz: #UTN und spreu X weizen bilden junge Multiplikator:innen aus

 

Um Nachrichten- und Medienkompetenz bei Schüler:innen und vor allem bei gering Informationsorientierten zu stärken, kooperiert #UseTheNews in einem neuen Projekt mit spreu X weizen: In Schulungen, zunächst in Sachsen und Hamburg, werden junge Studierende zu Multiplikator:innen ausgebildet. Inhaltlich geht es um die Aufklärung über Desinformation, deren Verbreitung sowie den Unterschied zwischen Content Creation und Journalismus. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf TikTok. Später sollen diese Multiplikator:innen in Kurzworkshops an Schulen ihr Wissen an Schüler:innen weitergeben. Dadurch soll ein kritischer Umgang mit Inhalten in sozialen Netzwerken sowie eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Nutzungsverhalten angeregt werden. Gleichzeitig sind die jungen Multiplikator:innen bedingt durch ihr Alter nah an der Zielgruppe dran, um die Inhalte bedarfsgerecht zu vermitteln.

 

In Sachsen wurden bereits 16 Multiplikator:innen ausgebildet, die ab sofort für Workshops gebucht werden können. Eine weitere Schulung findet am 7. und 8. Dezember 2023 bei der dpa in Hamburg statt. Interessierte Studierende finden hier mehr Infos.

 

#UseTheNews sucht Partnerschulen für das “Jahr der Nachricht 2024”

 

Medienkompetenzförderung nicht nur für GIOs: Mit dem “Jahr der Nachricht 2024” wollen die Partner:innen von #UseTheNews in der breiten Bevölkerung auf den Wert von vertrauenswürdigen Informationen und die Gefahr durch Desinformation aufmerksam machen. Geplant ist etwa ein Social News Desk, der Nachrichten für junge Menschen aufbereitet, sowie regionale Newscamps und Modellprojekte mit #UseTheNews-Partnerschulen. Interesse an einer Kooperation? Gerne melden unter: info@usethenews.de

 

Von Sandra Jütte & Fiete Stegers