Sandra Jütte
HAW Hamburg
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Pilotprojekt in Dresden: Schüler:innen lauschen "O-Ton" von ukrainischer Journalistin

Eine neues Workshop-Format von #UseTheNews und den Partnern spreu X weizen sowie Reporter ohne Grenzen vermittelt Schüler:innen den Wert von Nachrichten und Journalismus am aktuellen Beispiel des Ukraine-Krieges und soll für Desinformation sowie Propaganda in sozialen Medien sensibilisieren. Mit dabei: die ukrainische Journalistin Lina Safronova, die von ihren Erfahrungen berichtet.

2023-06-26 — Sandra Jütte

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges oder die Situation der Presse im Ausland sind Themen, die vom Alltag in Deutschland weit weg sind. Gleichzeitig können Jugendliche auf sozialen Plattformen wie TikTok ungefiltert mit Kriegsbildern, Propaganda und Desinformation in Kontakt kommen. Das Projekt “O-Ton” hat das Ziel, junge Menschen für solche Inhalte zu sensibilisieren, ihre Nachrichtenkompetenz zu stärken und ihnen Werkzeuge zum Umgang mit Social Media Content rund um den Krieg in der Ukraine an die Hand zu geben. Dahinter steckt eine Zusammenarbeit von #UseTheNews mit dem Bildungsprojekt “spreu X weizen. Nachrichten kritisch denken” und Reporter ohne Grenzen
 

Gemeinsam haben die Projektpartner ein ganztägiges Workshop-Konzept für Schulen entworfen, bei dem die Schüler:innen am aktuellen Beispiel des Ukraine-Krieges die Bedeutung von Pressefreiheit, Desinformation und Propaganda lernen und welche Rolle soziale Medien wie TikTok dabei spielen. Besonderes Highlight des Workshops ist die Einbindung der ukrainischen Journalistin Lina Safronova, die den Jugendlichen von ihren eigenen Erfahrungen berichtet. 

 

Erster Pilot in Dresden verlief erfolgreich


Dass das Konzept funktioniert, hat ein erster Pilotversuch mit rund 20 Schüler:innen einer neunten Klasse der 145. Oberschule in Dresden gezeigt. Am 21. Juni 2023 haben drei Referentinnen von spreu X weizen dort gemeinsam mit Lina Safronova den Workshop erstmalig durchgeführt. Besonders spannend fanden die Schüler:innen die persönlichen Schilderungen der ukrainischen Journalistin über den Krieg, den Einfluss auf ihre Arbeit und die Motivation für ihre Berufswahl. Auch die abwechslungsreichen Methoden, zum Beispiel ein eigener Faktencheck am Tablet oder ein interaktives Quiz zu journalistischen Grundsätzen, kamen bei den Jugendlichen gut an. Am Ende hatten die Schüler:innen selbst noch die Möglichkeit, Handlungsoptionen zu erarbeiten, etwa zum Erkennen von Desinformation oder wie mit Kriegscontent umgegangen werden kann. 

 

“Die Schülerinnen und Schüler fanden es sehr wichtig, über diese Themen zu sprechen und zu diskutieren und waren sehr interessiert. Sie hatten da auch eine sehr reflektierte Sichtweise”, fasst Isabel Reda, Bildungsreferentin von spreu X weizen, nach dem Workshop zusammen. Auch die Lehrerin Johanna Surma, die das Format an die Schule geholt hatte, sieht in dem Workshop einen Gewinn für die Schüler:innen: “Das Thema Ukraine beschäftigt die Jugendlichen natürlich, weil sie tagtäglich in den Medien damit konfrontiert werden. Dadurch war es sinnvoll den Umgang mit Desinformation an diesem Beispiel exemplarisch darzustellen.” Insbesondere der Bezug zu TikTok sei zudem gewinnbringend gewesen.

 

Journalistin Lina Safronova im Workshop (Foto: Benjamin Jenak / spreu X weizen)

3 Fragen an die ukrainische Journalistin Lina Safronova:

 

Wie unterscheidet sich die Arbeit von Journalist:innen in Deutschland und in der Ukraine, insbesondere vor dem Hintergrund des Krieges? Wie sieht es in der Ukraine aktuell mit der Pressefreiheit aus?

 

Lina Safronova: Ich bin keine Expertin für deutsche Medien, aber den Unterschied fühle ich schon. Laut Reporter ohne Grenzen ist die Ukraine auf Platz 79 von 180 im Ranking der Pressefreiheit. Zum Vergleich: Russland - Platz 164, Deutschland - Platz 21. Also, es ist sichtbar, dass die Situation für Medienschaffende in der Ukraine – im Vergleich zu Vorkriegszeiten –  schwieriger geworden ist. Mehrere Journalisten und Journalistinnen sind verletzt oder getötet worden, manchmal sogar gezielt. Einige Informationen über die Situation an der Front dürfen nicht offengelegt werden, in den sogenannten roten Zonen haben Journalisten keinen Zugang, in den von Russland kontrollierten Gebieten gibt es praktisch keine ukrainischen Medien. Für mich war es sehr emotional und deshalb schwer, nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine zu arbeiten und neutral zu bleiben, was natürlich wichtig ist für die Berichterstattung. Deswegen bin ich nach Deutschland gekommen. Hier fühle ich mich viel sicherer, kann meine Arbeit fortsetzen und sogar mehr machen, auch wenn hier auch nicht alles “wolkenlos” ist. 

 

Wie beeinflussen Desinformation und Falschinformationen deine journalistische Arbeit?

 

Lina Safronova: Ich würde sagen, dass sie vor allem das Leben jedes Menschen in der Gesellschaft beeinflussen. Wir leben im Informationszeitalter und das, was wir konsumieren, bestimmt, zu wem wir werden. Doch in der Arbeit eines Journalisten sind es Hindernisse, die immer wieder überwunden werden müssen. Wie Krankheiten im Alltag eines Arztes, so gibt es auch in der Arbeit eines Journalisten Fälschungen. Wenn nur wahre Information in der Luft schweben würde, dann wären wir überhaupt nicht nötig, oder?

 

Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, jungen Menschen Medienkompetenz und den Wert von Journalismus zu vermitteln? Warum bist du bei dem Projekt „O-Ton“ dabei?

 

Lina Safronova: Der Mensch ist so geschaffen, dass er nicht in einem Informationsvakuum leben kann. Auf die eine oder andere Weise konsumieren wir immer irgendeine Art von Informationen und das prägt unser Weltbild. Junge Menschen sind ein Abbild davon, wie unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen wird. Ihre Denkweise wird sich in den nächsten Generationen widerspiegeln. Gleichzeitig verfügte keine Generation zuvor über so viele Informationen wie wir heute. Deshalb halte ich es für unglaublich wichtig, jungen Menschen Medienkompetenz zu vermitteln. Damit sie ihr "Lebenswerkzeug" werden können. Unsere Aufgabe ist es, ihnen beizubringen, wie man Verantwortung dafür übernehmen kann, was man liest, wahrnimmt und verbreitet. Denn gerade jetzt und gerade unter jungen Menschen wird die Zukunftsperspektive geformt.